Kalte Finger? Ohne uns!
Winter-Ausstattung für alle, die ihre Gliedmaßen nicht ihrem kaltem Schicksal überlassen möchten. Wen hält ein bisschen Regen und Frost schon vom Biken ab?
Im Winter sollst du nie ohne Mütze vor die Tür! Diesen Satz haben die meisten von uns sicher schon mal von der besorgten Oma gehört. Die Annahme: Der Großteil der Körperwärme geht über den Kopf verloren. Wie sie darauf kommt? Dem liegt eine populäre Studie aus den siebziger Jahren zu Grunde, als bei einem Militär-Experiment Probanden in Arktis-Überlebens-Anzügen der Kälte ausgesetzt wurden. Die Anzüge isolierten jedoch nur bis zum Hals und so entwichen mehr als 40 Prozent der Körperwärme „oben raus“. Wäre das Experiment in Badeanzügen durchgeführt worden, hätte der Kopf lediglich 10 Prozent der Wärme abgegeben. In anderen Worten: Wer im Winter nackt aufs Bike steigt, der braucht auch keine Mütze!
Doch mal im Ernst: Wer in der kalten Jahreszeit Biken geht, der stellt seinen Körper mitunter vor ganz ordentliche Herausforderungen. Denn dieser denkt sich: Ui, kalt, endlich Winterschlaf! Und wir: Was sollen die paar Regentropfen mir beim Training schon anhaben? Bei Temperaturen unter 10 Grad bringt der menschliche Kreislauf jedoch (teils überlebenswichtige) Prozesse in Gang, um nicht auszukühlen. Das bedeutet nicht, dass wir auf Radfahren verzichten müssen. Auf keinen Fall! Doch ein gezielter Blick auf unsere Ausrüstung schadet nicht. Regenfeste Jacke: check. Warme Baselayer: check. Beinlinge: check. Etwas vergessen? Ja: Unsere empfindlichen Außenseiter – die Extremitäten.
Was passiert im Körper bei Kälte?
Nur, wenn Körpermitte UND Extremitäten entsprechend geschützt und gekleidet sind, kann unser menschlicher Motor vernünftig laufen, Leistung bringen und er wird nicht kollabieren. Das ist einfach zu erklären: Der Hypothalamus, das Zentrum für Temperatur- und Stoffwechselregulation im Gehirn, steuert die Blutzirkulation so, dass der Körperkern geschützt wird. Er drosselt die Wärmeabgabe und erhöht mittig die Wärmebildung. Sobald sich die Blutgefäße in der Haut und den Extremitäten verengen, nimmt die Durchblutung dort ab. Dadurch gleicht sich die Temperatur von Händen, Füßen und Ohren der Umgebung an. Das Resultat für Radfahrer: erst kalte, dann schmerzende, zu guter Letzt taube Füße und Finger und ein verminderter Tastsinn. Schaltung, Bremsen und sonstige Kleinteile werden so zur haptischen Herausforderung. Und: Mythos hin oder her – auf den Kopf gehört im Winter eine Mütze, welche die empfindlichen Ohren, die kein schützendes Muskelgewebe haben, vor Auskühlung bewahrt. Sonst: autsch!
Zwar sind unsere Extremitäten gegenüber Temperaturabweichungen nach unten temporär relativ tolerant. Doch wer sie dauerhaft ihrem Schicksal überlässt, der riskiert Schädigungen des Gewebes. Bemerkbar machen sich diese – je nach Grad der Erfrierungen – durch Verfärbungen der Haut bis hin zu dunkel gefärbtem, abgestorbenem Hautgewebe.
Was mit unseren empfindlichen Außenposten passiert, hängt primär von folgenden Faktoren ab:
- Der Außentemperatur
- Der Bewegungsintensität
- Dem Wetter
1. Auf Alltagswegen ...
- niedrige / sehr niedrige Temperaturen
- niedrige Bewegungsintensität
- wechselhafte Bedingungen
Ein Blick aus dem Fenster: Dunkelheit vor dem Haus, das Thermometer zeigt frostige 3 Grad, es nieselt. Es kostet Überwindung, im Winter den morgendlichen Weg zur Arbeit mit dem Rad in Angriff zu nehmen. Doch es gibt feine Hilfsmittel, die das Ganze ein wenig angenehmer gestalten. In diesem Fall geht es in erster Linie um eine leichte Isolation der gefährdeten Körperstellen. Ausgehend davon, dass niemand früh morgens einen neuen Sprint-Rekord aufstellen möchte (also nicht allzu stark ins Schwitzen gerät und kein übermäßiges Ventil für Wasserdampf / Schweiß benötigt).
Bei einer relativ niedrigen Bewegungsintensität empfehlen sich Handschuhe, die warm halten und – wichtig – vor Nässe schützen. Also: Am besten wasserdichte Ganzfinger-Handschuhe mit Kunstfaser-Füllung. Denn diese Art der Füllung trotzt Nässe und verliert auch in feuchtem Zustand ihre Isolationsfähigkeit nicht. Ähnliches gilt für Überschuhe. Diese sollten im Alltag nicht nur gegen Wind schützen, sondern auch Feuchtigkeit vom Körper fernhalten und wärmen.
Und auch Oma wird nicht enttäuscht: Mit isolierten Unterhelmmützen – zum Beispiel aus Merinowolle – kommen die empfindlichen Ohren nicht zu Schaden. Damit auch der Hals nicht offengelegt der Kälte trotzen muss, empfiehlt sich ein BUFF Halstuch aus Merinowolle. Denn das natürliche Material Wolle kann Schweiß und Feuchtigkeit von der Haut wegtransportieren und besitzt wärmende Eigenschaften. Ideale Voraussetzungen für den Alltag!
2. Auf dem E-MTB ...
- niedrige Temperaturen
- mittlere, wechselnde Bewegungsintensität
- relativ trockene Bedingungen
Eine leichte Schneedecke am Boden und nur noch zwei Stunden, bevor die Dunkelheit hereinbricht. Also: schnell aufs E-MTB und rauf auf den Berg. Die Lage vor der Abfahrt: meist trocken. Zumindest das Terrain. Denn schnelles Raufkurbeln treibt selbst mit E-Antrieb die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn. Für die Abfahrt müssen Extremitäten und Haut vor dem kalten Fahrtwind geschützt werden. Insbesondere verschwitzte Stellen. Denn: Im Fall von schneller Bewegung ist der Faktor ‘Windchill’ zu bedenken. Was genau das ist? Der Mensch gibt eine gewisse Wärmemenge pro Zeit an die Umgebung ab. Bei Windstille sind dies rund 60 Prozent über Wärmestrahlung sowie ungefähr 25 Prozent über die Verdunstung auf der Haut und über die Atmung. Steht die Person im Wind oder bewegt sich schnell, so wird sie schneller ausgekühlt. Ist die Luft- unterhalb der Körpertemperatur, so geben wir automatisch Wärmeenergie an die Umgebung ab. Diese Wärmeabgabe verstärkt sich mit zunehmender Windgeschwindigkeit.
Ein Blick auf die Hände: Dort kommen idealerweise leicht isolierende, windabweisende Handschuhe mit ordentlich Griffgefühl zum Einsatz. Da die Haut – bis auf den eigenen Dampf – keiner Feuchtigkeit (Thema: Regen, Schmelzwasser) ausgesetzt ist, reicht zum Beispiel ein wasserabweisendes Material mit DWR-Behandlung. Das Schlauchtuch ist im besten Fall aus atmungsaktivem, feuchtigkeitsregulierendem Material wie Polyester, damit es bei der Auffahrt im Hals- und Kopfbereich keinen zusätzlichen Hitzestau generiert. Als Mütze empfiehlt sich ein Windstopper-Material, das nur leicht bis gar nicht isoliert. Bei den Schuhen bestimmt der Untergrund mit, welches Material sinnvollen Schutz bietet. Ist dieser – wie in diesem Fall beschrieben – weitgehend trocken, reicht ein wasserabweisendes Modell. Bei Regen oder matschigem Untergrund sind dagegen Schuhe oder Überzieher mit leichter Isolation und wasserdichter Membran die richtige Wahl, um die empfindlichen Füße vor dem Auskühlen zu schützen.
3. Auf dem MTB ...
- niedrige Temperaturen
- wechselnde Bewegungsintensität
- nasse und trockene Bedingungen
Nasse Trails, Temperaturen rund um den Gefrierpunkt. Eine komplizierte Ausgangslage. Denn: wer den Berg aus eigenen Kräften hinauf strampelt, gerät mit Sicherheit – auch bei Kälte – ins Schwitzen. Direkt im Anschluss folgt die schnelle Abfahrt, bei der frostiger Fahrtwind auf verschwitzte Hände, Haare oder Füße trifft. Und das Ganze mehrmals im Wechsel. Da steckt viel Unterkühlungspotential drin. Was tun? Idealerweise kommt hier Material zum Einsatz, das kaum oder keine isolierenden Eigenschaften besitzt, aber durch eine Softshell/Windstopper-Oberfläche den Fahrtwind blockt. Noch wichtiger: Das Material sollte so wasserdampfdurchlässig sein, dass der Schweiß entweichen kann.
Dann überhitzt der Körper auf dem Weg nach oben nicht zu stark. Option für die Füße: Eine Kombination aus atmungsaktiven Winterschuhen oder Überschuhen und wasserdichten Socken, die Nässe aus Spritzwasser und Matsch vom Fuß fernhalten. Die Luxusvariante: wasserdichte Socken aus Merino-Wolle, die – neben der Wasserdichtigkeit dank PU-Beschichtung – den Fuß isolieren.
Auch bei den Handschuhen liegt das Ideal in der Mischung. Eine leicht isolierte Oberhand aus Soft-Shell Material schützt zum Beispiel bei kälteren Temperaturen, während eine cleane Innenhand maximalen Halt an Lenker und Bremsen bietet. Zu stark gefüttert dürfen Bike-Handschuhe im Winter nicht sein, sonst geht das Griffgefühl verloren. Zwar ist am Kopf Haptik kein Thema, doch auch hier empfiehlt sich ein logischer Mix aus unterschiedlich winddichten und atmungsaktiven Materialzonen, die wechselnde Bewegungsintensitäten auffangen können.
Während an der Seite ein weicher Fleece die empfindlichen Ohren schützt, bieten Mützen für den sportlichen Einsatzbereich am restlichen Kopf stark atmungsaktives, und vor allem schnelltrocknendes Material. Durch die Verwendung eines variabel kombinierbaren Schlauchschals können sportliche Mountainbiker zusätzlich auf sich verändernde Bewegungsintensitäten und daraus resultierende Schweiß- oder Kältesituationen reagieren.
4. Auf dem Rennrad ...
- milde bis niedrige Temperaturen
- sehr hohe, gleichmäßige Bewegungsintensität
- trockene Bedingungen
Ein kalter Dezembertag, das Thermometer schafft es kaum über 7 Grad, die Sonne blinzelt vorsichtig durch die Wolken. Ideale Bedingungen für einen Trainingstag auf dem Rennrad. Was anziehen? Oder besser gefragt, was nicht anziehen? Für die richtige Entscheidung hilft ein kurzer Blick in den Körper. Dieser hat seine optimale Betriebstemperatur bei 37 °C, die er unter allen Umständen versucht zu halten. Denn sowohl eine Senkung der Temperatur als auch eine Steigung führen zu Leistungsminderung. Bei normaler Aktivität läuft der menschliche Körper mit etwa 100 Watt. Die dabei erzeugte Wärme wird in Form von Gas über die Schweißdrüsen abgesondert. Diese Absonderungen nehmen wir kaum wahr. Fährt er jedoch bei körperlicher Anstrengung hoch, produziert er bis zu 1.000 Watt. Für die Drüsen bedeutet das: Schleusen auf.
Dieses Prinzip funktioniert gut bei nackter Haut oder mit besonders luftdurchlässigen Textilien. Hände, Kopf und Füße müssen unter diesen Bedingungen – niedrige Temperaturen, schnelles Tempo, Fahrtwind auf der Haut – extra geschützt werden. Dieser Schutz in Form von Handschuhen, Winterradschuhen oder Überziehern muss jedoch extrem wasserdampfdurchlässig, windabweisend und wenig isoliert sein, weil ansonsten das Schweiß-Ventil über die Extremitäten ausfällt und der Körper droht, zu überhitzen.
So sind die meisten Rennrad-Handschuhe mit einem überzeugenden Feuchtigkeits-Management ausgestattet. Beispiel: Die Innenhand ist aus perforiertem Kunstleder, das für hohen Tragekomfort sorgt und kühlend wirkt. Ebenso eine gute Lösung sind mit Neopren versetzte Stellen, wodurch sich Atmungsaktivität mit (punktuell) wasserdichten Stellen kombinieren lässt. Gleichzeitig sollte das Material der Handschuhe aus Windstopper oder Windbreak-Gewebe bestehen, um den Wind (Faktor: Windchill!) von der Haut wegzuhalten. Die gleichen Voraussetzungen gelten für die Mütze. Ist diese zu stark gefüttert und lässt keinen Wasserdampf in Form von Schweiß entweichen, entfällt das Ventil nach oben und der Hitzestau führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Leistungsabfall.
Damit Rennradler auch im „unteren Ende“ ideal ausgestattet sind, lohnt ein Blick auf die Schuhe- und Überschuhe. Da Nässe und Kälte bei hoher Geschwindigkeit noch stärker zu spüren sind, sind bei diesem Ausrüstungsteil die Eigenschaften winddicht und wasserabweisend absolut essenziell. Viele,speziell für den Winter entwickelte Schuhe sind mit einer wasserdichten und atmungsaktiven Membran ausgestattet. Wer mit variierender Intensität und bei unterschiedlichen Wetterlagen unterwegs ist, der kann aus dem Angebot unterschiedlich konstruierter Überschuhe wählen. Sprich: statt sich auf einen einzigen, speziellen Winterschuh zu verlassen, eine Fuß-Garderobe aus verschiedenen Überschuhen mit unterschiedlichen Funktionen aufbauen. So macht zum Beispiel an einem nassen, aber nicht besonders kalten Herbsttag ein wasserdichter, nicht isolierter Überschuh mehr Sinn, als ein warmer Stiefel für kaltes Wintertraining.
Ein Tipp am Ende, der für alle Winter-Biker gilt:
Egal, ob intensives Straßentraining oder E-MTB Tour. An einem Tag scheidet der Mensch im Schnitt 0.5 – 1.0 Liter an Flüssigkeit in Form von Schweiß aus. Bei Anstrengung liegt der Wasserverlust um ein Vielfaches höher. Zwar schwitzen wir bei Anstrengung in kalten Temperaturen weit weniger – jedoch ist der Feuchtigkeitsanteil in kalter Luft geringer als in warmer Luft. Das heißt: Alleine durch die Atmung und offenliegende Stellen wie das Gesicht, entzieht die trockene Winterluft dem Körper enorm viel Flüssigkeit. Also: trinken, trinken, trinken.