On the road: Radregeln für Reisende
28 Länder, 28 Gesetzeslagen. Jedes EU-Land hat seine eigene Straßenverkehrsordnung. Wo muss was ans Rad? Ein kleiner Überblick für die Radreise-Planung.
Sie ist gelb. Sie ist hässlich. Sie passt zu nichts. Aber sie kann Leben retten. Schwarzer Anzug, schwarze Fliege, schwarze Sonnenbrille – ein fein säuberlich zusammengestelltes Outfit, überdeckt von einer gelben Warnweste. In dieser Montur – samt deutlichem Zitat – ist der Modezar Karl Lagerfeld († Februar 2019) auf dem 2008 erschienenen Kampagnen-Poster des französischen Verkehrsministeriums zu sehen. Der Typ mit dem markanten Pferdeschwanz wusste genau, wovon er spricht. Eine neongelbe Warnweste hat vieles. Aber eines mit Sicherheit nicht: Stil. Warum trägt der Modepapst sie also trotzdem? Und was hat das Ganze mit Bikes zu tun?
Ganz einfach: Frankreich brachte bereits vor mehr als zehn Jahren ein Sicherheitsregel-Paket für den Straßenverkehr an den Start, das alle Verkehrsteilnehmer – allem voran die vermeintlich „schwachen“ Radfahrer – sicher und geschützt durch den Alltag bringen soll. Teil des Pakets: die Westen. Obwohl der Modedesigner wohl eher selten mit Rad und Gepäcktaschen zu seinen Modeschauen strampelte, sorgte die Kampagne dank des VIP-Faktors für die nötige Aufmerksamkeit.
Andere Länder, andere Bike-Sitten
Was das nun genau für Bike-Urlauber bedeutet? Seit 2008 müssen Radfahrer in Frankreich außerhalb geschlossener Ortschaften nachts, in der Dämmerung, sowie auch tagsüber bei schlechten Sichtverhältnissen (Nebel, Regen) eine reflektierende Warnweste tragen. Man meint, das Augenzwinkern der Geschichte zu sehen, bekommt doch Präsident Macron seit einiger Zeit zu spüren, dass seine Bürger ganz heiß auf die Farbe Gelb sind.
Doch mal im Ernst: Die Franzosen sind nicht die einzigen Europäer, die sich Gedanken um gesetzlich verankerten Schutz – und „Must Haves“ – von Radfahrern machen. Die Sommerferien stehen vor der heimischen Haustür und viele von uns stecken mitten in der Planung für den nächsten Radurlaub. Um Schwierigkeiten und Bußgeldern aus dem Weg zu gehen, solltet Ihr Euch also am besten vorab informieren, welche Regelungen für Radfahrer im jeweiligen Reiseland gelten.
Wer möchte sich schon den Urlaub von einem Polizisten ruinieren lassen, der mit einem charmanten Lächeln auf die fehlende Ausrüstung hinweist, die Hand aufhält und so ein Loch in das Gelato- oder Übernachtungsbudget reißt. Ob nun mit dem Trekkingrad durch die blühende Provence, einmal mit Gravel Bike und Zelt über den wilden Balkan oder Mehrtages-MTB-Tour durch die Höhen und Tiefen des italienischen Apennin – einige grundlegende Sicherheitsregeln gelten für alle Arten von Rädern und fast alle EU-Länder.
Ran ans Rad
So sind funktionierende Bremsen, eine Klingel (Ausnahme: Räder unter 11 kg) und Reflektoren fast überall vorgeschrieben. Meist beschränkt sich letztere Vorschrift auf das Anbringen weißer Front- und roter Rückstrahler. Zusätzliche, reflektierende Elemente variieren von Land zu Land. Wer auf der sicheren Seite des Gesetzes sein möchte, der stattet sich am besten gleich mit gelben Reflektoren an Pedalen, Reifen mit durchgehenden Reflexstreifen auf der Flanke und Speichen-Reflektoren in den Laufrädern aus.
Ähnlich wie in Frankreich, gilt auch in der Slowakei, Kroatien, Ungarn und Spanien die Regel, dass Radfahrer nachts, bei Einbruch der Dämmerung und schlechten Sichtverhältnissen eine Warnweste tragen müssen. Litauen geht sogar noch einen Schritt weiter: Dort müssen am Rad auch tagsüber entweder Front- und Rücklichter leuchten oder das Outfit um eine rote, orange oder gelbe Weste ergänzt werden.Klar, wer schnell und sportlich auf dem Bike unterwegs ist, und kaum auf asphaltierten Straßen fährt, der möchte sicher gern auf das ein oder andere Sicherheits-Accessoire verzichten. Aber es ist so wie wenn Eltern dem Kind von etwas abraten, weil sie es für eine schlechte Idee halten. Am Ende bekommt man dann diesen nervigen Satz zu hören: Wir haben es Dir doch gesagt.
Warnwesten erhöhen die Sichtbarkeit ...
... vor allem im hektischen Rush-Hour-Verkehr!
Reine Kopfsache
In einigen Ländern existiert außerdem eine Helmpflicht. Zwar sind davon meist nur die jüngsten Biker betroffen (z.B. Frankreich: zwölf Jahre, Malta: zehn Jahre, Slowakei: 15 Jahre, Kroatien: 16 Jahre), doch Ausnahmen bestätigen die Regel: In der Slowakei gehört der Helm auf Köpfe jeden Alters, sobald sich Radfahrer auf Straßen außerhalb eines bewohnten Gebietes aufhalten. Das Gleiche gilt für Spanien. Und in Finnland muss der Helm jederzeit getragen werden – egal ob Stadt oder Land. Helmpflicht für Ü18-Radfahrer gibt es in den meisten Fällen jedoch erst ab einem Tempo von mehr als 20km/h. In Ungarn sogar erst ab 50 km/h. Entsprechend sind vor allem E-Bike- und Pedelec-Fahrer von den Regeln betroffen.
Und wie ist die Sicherheitslage in Deutschland? „Wir können Radverkehr“, sagte erst kürzlich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer auf dem Nationalen Radverkehrskongress (NRVK) in Dresden. Wie das geht? Seine geniale Idee: Nur in Unterwäsche bekleidet, dafür immer mit Helm auf dem Kopf durch die Stadt. Zumindest entsteht durch die Anfang 2019 ins Leben gerufene „Looks like shit. But saves your life“-Fahrradhelmkampagne des Ministeriums der Eindruck, dass Helme sich nur gut auf den Köpfen halbnackter Models machen. Irgendwie haben wir das Motto „hässlich, aber Lebensretter“ schon einmal gehört, oder? Egal. Die Realität für Nicht-Models und Alltags-Pendler: In Deutschland gibt es bisher weder eine Helm- noch eine Warnwestenpflicht.
Bon voyage, safe travels, gute Reise!
Obacht geben, länger leben...
Doch natürlich gibt es im Land der Dichter und Vorschriften auch Regeln, die für alle Radfahrer, die sich im Straßenverkehr bewegen, gelten. Licht ist Pflicht. Seit dem 1. Juni 2017 sind jedoch auch batteriebetriebene Lampen zulässig (sofern sie die notwendige StVO-Zulassung besitzen), die am Fahrrad angebracht werden und nur bei Dunkelheit und schlechter Sicht mitgeführt werden müssen. An die Pedale gehören gelbe Reflektoren, sowohl nach vorn als auch nach hinten strahlend. Wer aufgrund des scheinbar unendlichen Regelkatlogs nun schon ausgestiegen ist, der verpasst eine der wichtigsten Infos zum Schluss: “Fahrräder und Schlitten müssen mit mindestens einer helltönenden Glocke ausgerüstet sein; ausgenommen sind Handschlitten.” So steht es im Paragraf 64a der deutschen Straßenverkehrsordnung. Hoffentlich liest Santa Claus diesen Beitrag und rüstet seinen Schlitten zukünftig entsprechend aus. Für alle anderen: Gute Rad-Reise!
Eine Liste aller Vorschriften nach Ländern und Transportmittel sortiert findest Du hier.