Reifenarchitektur- Aufbau und Gummimischungen
Es gibt Gummimischungen für Fahrradreifen wie Sand am Meer. Verschaffe Dir hier einen Überblick.
Es gibt Gummimischungen für Fahrradreifen wie Sand am Meer, da ist es schwer den Überblick zu behalten. Aus diesem Grund habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und mit telefonischer Hilfe von Roland Golderer von Michelin konnte ich etwas Licht ins Dunkel bringen.
An Reifen werden so unterschiedliche Anforderungen gestellt, dass eine Gummimischung immer einen Kompromiss aus verschiedenen Eigenschaften darstellt. Die grundsätzliche Zusammensetzung konnte mir Roland aber verraten. Gummimischungen für Fahrradreifen bestehen aus Polymeren*, Schwefel, Verstärkerfüllstoffen und anderen Zusatz- bzw. Hilfsstoffen. Die Grundlage bilden die Polymere. Zur Erhöhung der Abriebfestigkeit und Senkung des Verschleißes bzw. der Rissbildung werden noch Verstärkerfüllstoffe wie Ruße und Silica beigesetzt. Schwefel bildet unter Druck und Hitze Schwefelbrücken zwischen den Polymeren und gibt dem Material so mehr Zusammenhalt und Elastizität. Andere Zusatz- bzw. Hilfsstoffe machen das Gummi resistenter gegen UV- und Ozonstrahlung und beugen dem Prozess des Sprödewerdens vor.
Die Kunst ist es, die richtige Mischung bzw. den richtigen Kompromiss für den jeweiligen Einsatzzweck zu kreieren bzw. zu finden. Aus diesem Grund werden auch oft mehrere Gummimischungen in einem Reifen verbaut. Dabei geht es nicht nur um die Reifenschicht, die Kontakt mit dem Untergrund hat, sondern auch darum, dass der Aufbau des Reifens aus einem 2- oder 3-schichtigen Verbund besteht. Hierbei sind die unteren Schichten meistens härter, um dem Profil eine solide Grundlage zu bieten. Die äußeren Gummischichten werden dann je nach Einsatzzweck des Reifens angepasst.
Aufbau eines Reifens
Um euch den Aufbau eines Reifens ein bisschen näherzubringen, habe ich mir einen alten Reifen aus der Werkstatt geholt und ihn aufgeschnitten. An dem U-förmigen Querschnitt erkläre ich euch zuerst mal die 4 Grundelemente eines Reifens, die Lauffläche, die Reifenschulter bzw. Seitenstollen, die Karkasse und die Wulst.
Der Aufbau eines Faltreifens
Wulst/ Wulstkern
Die Wulst ist die Verdickung am Ende der beiden Schenkel des U. Der Kern der Wulst besteht bei Faltreifen aus feinen Stofffasern, die zu Strängen gebündelt werden und so die feste Wulststruktur ergeben. Bei Drahtreifen ist diese Wulst, wie der Name schon sagt, aus Draht. Bei der Montage auf der Felge wird die Wulst in die Flankeninnenseite der Felge eingehakt.
Reifen-Querschnitt
So sitzt der Reifen in der Felge
Karkasse
Die Karkasse ist die Seitenwand und somit das Tragwerk eines Reifens. Sie besteht aus einem gummibeschichteten Gewebe. Die Dichte des Gewebes wird in „Thread per Inch“ (TPI) angegeben, je mehr Fasern auf einem Inch sind, desto höher ist der Wert. Das Gewebe unterscheidet sich aber nicht nur in der Dichte der Fasern, sondern auch in der Faserdicke. Ein Fasergewebe aus dichten und dünnen Fasern passt sich einfacher an den Untergrund an und sorgt somit für einen geringen Rollwiderstand. Durch die dünnen Fäden ist der Reifen aber auch anfälliger für Durchschläge und Schnitte. Dickere Fasern hingegen dämpfen besser und geben der Karkasse mehr Stabilität.
Schwalbe Hans Dampf Karkasse mit 67 Tpi
Seitenstollen/ Reifenschulter
Die Reifenschulter bei Rennrad-Reifen und die Seitenstollen bei MTB-Reifen bieten in Schräglagen bzw. Kurven den nötigen Halt. Hier werden meistens weichere Gummimischungen als auf der Lauffläche verbaut, weil hier der Grip wesentlich wichtiger ist als z. B. geringer Rollwiderstand oder Haltbarkeit. Bei MTB-Reifen dürfen die Seitenstollen aber nicht zu weich werden, da sie sonst in den Kurven wegknicken oder abreißen können.
Ein Seitenstollen eines MTB-Reifens
Bei MTB-Reifen dürfen die Seitenstollen aber nicht zu weich werden, da sie sonst in den Kurven wegknicken oder abreißen können.
Lauffläche
Die Lauffläche ist die Fläche, die Kontakt zum Untergrund hat. Hier werden oft härtere Gummimischungen verwendet, da hier ein geringer Rollwiderstand und Langlebigkeit im Vordergrund stehen.
Verschiedenene Gummimischungen der Hersteller
Continental
Black Chili Compound
Black Chili Compound ist eine Gummimischung von Continental, die nur in Deutschland gefertigt und verarbeitet wird. Im Vergleich zu der Serien-Gummimischung hat ein Black Chili Compound-Reifen etwa 26% weniger Rollwiderstand, 5% mehr Laufleistung und 30% mehr Grip.
Pure Grip Compound
Vereint hervorragende Grip- und Laufeigenschaften miteinander, reiht sich aber hinter „Black Chili Compound“ ein. Die Mischung wird hauptsächlich in Performance-Produkten im Race- und Mountainbike-Segment eingesetzt.
Maxxis
Single
Ein Reifen - eine Gummimischung. Die Mischung ist auf Langlebigkeit und Leistung optimiert.
Dual
Die Dual Mischung wird nur in ausgewählten Reifen verbaut. Sie bietet einen geringeren Rollwiderstand und erhöhten Kurven-Grip.
SuperTacky
Die SuperTacky Reifen haben einen speziell gedämpften Rebound und bieten viel Traktion.
3C Triple Compound Road
In Triple Compound Reifen werden 3 verschiedene Siliziumoxidverbindungen an verschiedenen Stellen verbaut. Die Lauffläche besteht aus einer sehr langlebigen oder mit wenig Widerstand abrollenden Mischung. Nach außen hin wird die Mischung immer weicher, um auch in den Kurven guten Grip zu bieten.
3C Triple Compound Mountain
Die 3C Mountain Mischung nutzt eine härtere und haltbarere Basisschicht. Die 2 folgenden Schichten werden nach oben hin immer weicher, dadurch optimiert Maxxis Traktion und Stabilität der Reifen. Die Mischung gibt es in 3 verschiedenen Ausführungen: Maxx Speed, Maxx Terra, Maxx Grip.
Road
Die Road Mischung kombiniert 3 verschiedene Gummimischungen. Eine härtere, langlebige Mischung in der Mitte des Reifens. Zur Reifenschulter werden die Mischungen immer weicher, um optimalen Kurvenhalt zu gewährleisten.
3C Maxx Speed
Die 3C Maxx Speed wird hauptsächlich im Cross Country- und im Enduro-Bereich verwendet. Die 2 äußeren Schichten wurden für eine höhere Langlebigkeit und Grip und einen geringeren Rollwiderstand optimiert.
3C Maxx Terra
Die 3C Maxx Terra Mischung ist weicher und bietet mehr Traktion als die Speed Mischung. Außerdem ist sie langlebiger und hat weniger Rollwiderstand als die Maxx Grip Mischung.
3C Maxx Grip
3C Maxx Grip ist ein neuer Name für die alte “Downhill 3C” Mischung. Sie bietet maximalen Grip und einen sehr langsamen Rebound.
Michelin
GUM-X Series
GUM-X ist die neueste Gummischung von Michelin, sie wurde für die Wild Advanced Serie entwickelt und verwendet Gummi mit verschiedenen Härtegraden. Die Mischung bietet eine hervorragende Balance zwischen Grip, Laufleistung und Haltbarkeit.
Michelin Wild Rocker Darstellung Karkasse
Magi-X Series
Die Magi-X Mischung wurde speziell für Vorderräder im Enduro-Einsatz entwickelt. Sie bietet ausgezeichneten Grip in Schräglagen und gute Bremseigenschaften auch bei schwierigen Bedingungen.
Michelin Wild Mud Karkassenabbildung
Bi-Compound
Wie der Name schon sagt, besteht die Gummimischung aus 2 Komponenten. Auf der Lauffläche bietet die Mischung eine sehr gute Übertragung der Drehmomente, die beim Bremsen und Beschleunigen auf die Lauffläche wirken. Die Mischung auf der Reifenschulter bietet einen hervorragenden Kurvengrip im Trockenen genau wie bei Nässe.
Onza
DCR – Dual Compound Road
Kombiniert 2 verschiedene Gummimischungen, die Lauffläche ist aus der 65a Mischung für einen geringen Rollwiderstand und lange Lebensdauer. Die Seitenstollen sind aus weicherem 55a für guten Grip in jeder Kurve.
DXT – Dual Extruding Technology
Die extrudierte Gummimischung aus 65a bildet die Lauffläche. Die Mischung zeichnet sich durch eine lange Lebensdauer und einen geringen Rollwiderstand aus. Die Reifenflanken sind aus 55a Gummi für optimalen Kurvengrip, auch bei Nässe.
RC3 – Triple Compound/ Racing Compound 45a/55a/65a
Die Wettkampfmischung besteht aus 3 verschiedenen Gummimischungen. Die 65a Mischung bildet die Basis des Reifens. Für ein langes Reifenleben und geringen Rollwiderstand ist die Lauffläche aus 55a, für den optimalen Kurvengrip sind die Seitenstollen aus 45a.
RC² oder RC² 55a - Dual Compound/ Racing Compound 55a/65a
Kombiniert 2 verschiedene Gummimischungen, die Lauffläche ist aus der 65a Mischung für einen geringen Rollwiderstand und lange Lebensdauer. Die Seitenstollen sind aus weicherem 55a für guten Grip in jeder Kurve.
RC² 45a - Dual Compound/ Racing Compound 45a/55a
Die Wettkampfmischung kombiniert 2 verschiedene Gummimischungen, die Lauffläche ist aus der 55a Mischung für einen geringen Rollwiderstand. Die Seitenstollen sind aus weicherem 45a für besten Grip in jeder Kurve.
RC65a - Rubber Compound 65a
Die Kombination aus 2 verschiedenen Gummimischungen bietet hohe Traktion und Lebensdauer und gute Rolleigenschaften.
Schwalbe
PaceStar
Die PaceStar Gummimischung verkörpert eine extrem schnelle Cross Country-Zusammensetzung. Der Schwerpunkt liegt hier ganz klar im geringen Rollwiderstand.
TrailStar
Diese Gummimischung orientiert sich sehr stark an den Bedürfnissen der Enduro & Freeride-Fahrer. Der Reifen bietet die perfekte Kombination aus geringem Rollwiderstand und Grip!
VertStar
Die VertStar Mischung richtet sich klar an Downhiller. Die Reifen sind auf Grip und einen geringen Rebound ausgelegt. Gewicht ist hier eher Nebensache.
RaceStar
Reifen mit RaceStar Mischung sind die perfekten Wettkampfreifen. Sie vereinen einen geringen Rollwiderstand mit gutem Grip.
RoadStar
Die RoadStar Mischung wurde für sportliche Tourenräder entwickelt. Sie bietet perfekten Grip und guten Leichtlauf.
TravelStar
Die TravelStar Mischung zeichnet sich vor allem durch ihre Haltbarkeit aus.
Gummimischung/ Einsatz
Um die verschiedenen Gummimischungen der Hersteller, den einzelnen Einsatzgebieten besser zuordnen zu können, habe ich euch die Daten in einer Übersicht zusammengetragen. Ich hoffe euch damit einen Leitfaden an die Hand gegeben zu haben, damit ihr stets die nötige Kontrolle über euer Bike behaltet.
* Ein Polymer ist eine chemische Verbindung, die aus langen Molekülketten besteht, die sich automatisch wie ein Wollknäuel anordnen.