Graveln: Es lebe die Disziplinlosigkeit!
Gravel-Biken ist DIE Schnittmenge auf Schotter. Keine andere Spielart im Radsport vereint derart viele Facetten, begeistert so unterschiedliche Typen.
Graveln ist für uns bei bike-components Radsport pur. Und das Gravelbike ist so etwas wie die Rückkehr zu den Wurzeln unseres Sports. Die neueste aller Fahrradgattungen ist allerdings erfrischend offen definiert, setzt sich bewusst über die klassische Kategoriendenke hinweg. Im Klartext: Der Einsatzzweck bestimmt das Bike, nicht das Bike den Einsatzzweck. Mit dem richtigen Insiderwissen und ein paar Hintergrundinfos findest Du bei uns das für Dich passende Gravelbike und die richtigen Parts für Deine Gravel-Abenteuer.
Aber spulen wir noch einmal ganz an den Anfang: Das Besondere – auch das besonders Schöne – am Graveln ist, dass es keine „Do’s“ gibt. Und auch keine „Dont’s“. Alles ist möglich, alles ist erlaubt. So lange es dem Fahrspaß, dem Abenteuer und einer guten Zeit im Sattel zuträglich ist.
Wann und wie genau die Geschichte moderner Gravelbikes beginnt, darüber lässt sich streiten: Zwischen den beiden denkbaren Anfängen liegen ziemlich genau 100 Jahre – und außerdem jede Menge Raum für Interpretationen…
Folgt man jener Erklärung, die den Ursprung auf europäischem Boden sieht, richtet sich der Blick unweigerlich auf die Strade Bianche-Radrennen in Italien im frühen 20. Jahrhundert. Damals wurden Radrennen per se auf nicht-asphaltierten Schotterstraßen gefahren. Der englische Begriff für Schotter – „Gravel“ – spielte dabei keine Titel-Rolle.
Allerdings tat er das sehr wohl beim zweiten möglichen Startpunkt dieser Fahrradgattung: Etwa ab 2015 (oder ein wenig früher) rollten die ersten Gravelbikes über die weitläufigen „gravel roads“ im Mittleren Westen der USA. Konzipiert für hohes Tempo auf nicht-asphaltiertem Untergrund und meilenweit geradeaus. Logisch, dass die Räder innerhalb der dortigen „Gravel Racing“-Szene gern gesehene Begleiter waren. Von dort schwappte die „alte neue“ Bike-Kategorie via England nach Europa und fand als „Adventure Racing Bike“ oder eben Gravelbike zunächst innerhalb einer kleinen, überschaubaren Community seine Fans.
Optisch ähneln Gravelbikes relativ stark jenen Rädern, die beim Cyclocross, auch CX genannt, gefahren werden: ein mehr oder weniger filigraner Rahmen, profilierte Reifen, Rennradlenker aka Drop Bar. Jedoch fühlen sich Gravelbikes auf offener Strecke sehr viel wohler als auf verwinkelten Cyclocross-Rundkursen. Denn fürs Graveln gilt das Motto: Der Weg ist das Ziel. Und nicht Runde um Runde auf einem abgesteckten Kurs. Insofern steht Gravel auch als Synonym für die Freiheit auf zwei Rädern. Für das Abenteuer, das Du auf einem solchen Rad erleben kannst. Einfach drauflosfahren, ohne Dir allzu viele Gedanken machen zu müssen, wie die Wegbeschaffenheit auf der Route aussieht. Mit einem Gravelbike ist nahezu alles fahrbar: Asphalt, Schotter, Trampelpfad und Wurzelweg.
Mit dieser Vielseitigkeit folgt ein Gravelbike der uralten Forderung eines gewissen Tom Ritchey: der nach einem Bike für alles, dem „1-Bike“. Und gleichzeitig grenzt sich das Gravel-Gefährt damit auch deutlich von benachbarten Fahrradkategorien ab: dem in viele verschiedene Untergruppen zergliederten Mountainbike. Und dem hochgezüchteten, zugunsten der Geschwindigkeit aber auch sensiblen (bis unbequemen) reinrassigen Rennrad.
Vor diesem Hintergrund ist Graveln auch nicht jenen starren Regeln unterworfen, wie sie beispielsweise die Velominati fürs Rennrad oder die Enduro-Szene für ihre Art des Mountainbikens zu definieren versuchen. Nein, es ist die pure Freiheit, auf dem Rad wie im Kopf.
Das markanteste Merkmal eines Gravelbikes ist die Kombination aus Drop Bar und – im Vergleich zum Rennrad – breiteren Reifen. Letztere erfordern bei Rahmen und Gabel eine gewisse Reifenfreiheit, um den meist profilierten Pneus entsprechenden Raum zu geben. Die Reifenbreite schwankt irgendwo zwischen 35 und 50 Millimetern, je nach Rad.
Ein zweites wichtiges, allerdings weniger auffälliges Merkmal ist die Geometrie von Gravelbikes. Diese Räder sind entworfen, um Strecke zu machen, egal wie der Untergrund beschaffen ist. Daher fällt der Radstand eher lang aus, was für Laufruhe sorgt. Der Lenkwinkel ist relativ flach, um bergab Sicherheit zu geben. Die Kettenstreben sind verhältnismäßig lang, damit auch anspruchsvolleres Terrain bewältigt werden kann. Und das Tretlager sitzt recht tief, was in ruppigem Gelände ebenfalls für Fahrstabilität sorgt. Die Sitzposition lässt sich am ehesten mit jener auf Rennrädern aus dem Endurance- und Touren-Bereich vergleichen: Sie ist etwas aufrechter, nicht auf Aerodynamik, sondern auf lange Tage im Sattel ausgelegt.
In Sachen Ausstattung sind bei Gravelbikes Scheibenbremsen – der hervorragenden Verzögerung wegen – Standard. Der Antrieb ist ein Mix aus Mountainbike- und Rennrad-Komponenten, besteht inzwischen aber auch immer öfter aus reinrassigen Gravel-Gruppen. An sehr vielen Bikes werden herstellerseitig bereits Einfach-Antriebe mit nur einem Kettenblatt, aber einer weit gespreizten Kassette verbaut. Das bringt Vorteile beim Gewicht, der Wartung, sieht elegant aus und reicht in vielen Regionen durch das breitbandige Übersetzungsverhältnis völlig aus. Allerdings haben mancherorts zwei Kettenblätter durchaus Vorteile, etwa in den Alpen mit sehr langen, steilen Anstiegen.
Das mit Abstand Beste an einem Gravelbike: Man muss sich keine Gedanken mehr über die Routenwahl machen. Wechselnde Wegbeschaffenheit auf der Route schränkt nicht ein, sie lädt ein. Wo Rennradfahrer im Angesicht von fliegenden Kieselsteinen – von Flick-Orgien mal ganz abgesehen – schützend die Hände über ihr sündhaft teures Carbon-Gefährt halten und umkehren oder Mountainbiker allergisch auf den hörbaren Rollwiderstand der Reifen auf Asphalt reagieren – da fängt für den Gravelbiker das Abenteuer an. Denn auf einem Gravelbike spielt es erst einmal keine Rolle, ob der Asphalt schlagartig losem Schotter weicht. Oder ob der Kiesweg sich in einen Wurzelteppich verwandelt. Ein Gravelbike ist für genau solche Entdeckungstouren konzipiert.
Und genau an dieser Stelle kommt auch die Vielseitigkeit dieses Rads ins Spiel: Ein Gravelbike ist viel mehr als eine neue Radkategorie, es bildet eine Art Plattform, die Du nach Deinen Wünschen und Vorlieben nutzen kannst. Ausgerüstet mit Schutzblechen und Beleuchtung ist es ein schnelles, robustes Gefährt für den Stadtverkehr und das Pendeln zur Arbeit – „Gravel-Commuting“ sozusagen. Bestückt mit Bikepacking-Taschen wird es zum idealen Reisebegleiter in unbekanntes Terrain. Und ohne das alles, vielleicht sogar bewusst abgespeckt, locken vielleicht sogar Gravel-Rennen...
Das Gravelbike ist viele Räder in einem! Beim Graveln trifft Geschwindigkeit auf Gelände. Es begeistert als die universellste Art Rad zu fahren. Für viele Radsportler endet mit dem Gravelbike deshalb vielleicht die Suche nach dem jeweils richtigen Rad für unterschiedliche Einsatzbereiche. Es ist die Rückkehr zu den Wurzeln des Radsports. Die Vielseitigkeit macht das Gravelbike zu dem einen Rad für sportive Biker – und all jene, die in den Radsport erst noch eintauchen. Ein Gravelbike folgt nicht der Sammler-Formel für Bike-Sportler „n+1“ zur Besitzstandsanzeige in der Rad-Garage. Nein, ein Gravelbike ist „n“. Stellt sich nur die Frage, wie viele Gravelbikes man besitzen möchte…
Bikepacking! Allein das eine Wort löst bei mir Freude aus. Anstrengung, Freiheit, Überraschungen. Schweiß, ein wenig Ungewissheit, Minimalismus. Essen, Trinken, sich durch die Lande schrauben und einen Schlafplatz finden – alles andere ist unwichtig. Hier empfehle ich Dir mein auf Herz und Nieren geprüftes Set-up an Bikepacking Taschen und Zeltequipment.