Fahrradschläuche fürs Rennrad oder MTB: Welches Schlauchsystem passt für welchen Einsatzbereich?
Fahrradschlauch oder Tubeless-Reifen? Butyl, TPU oder Latex? Welches System das beste für Dich und Dein Bike ist, erfährst Du hier.
Agil auf Schotter, geringer Rollwiderstand auf Asphalt, viel Grip in schnell gefahrenen Kurven und pannensicher genug für Ausflüge ins Gelände: Kaum ein Fahrradreifen muss so unterschiedliche Anforderungsprofile meistern wie der Reifen fürs Gravelbike. Auch deshalb gibt es Gravel-Reifen in zahlreichen unterschiedlichen Ausführungen – manche näher am Mountainbike, andere stärker am Rennrad orientiert. Verbindendes Merkmal: Reifendimensionen von 27,5 (650b) oder 28 Zoll (700c) Durchmesser bei typischen Breiten zwischen 30 und 70 Millimetern haben sich bei Gravel-Reifen durchgesetzt.
Reifendimensionen werden in der Fahrradwelt in Zoll oder Zentimeter angegeben. Manchmal beides. Daraus resultiert ein Durcheinander verschiedener Bezeichnungen. Die gute Nachricht für Dich: Es ist nicht so kompliziert wie es scheint. Ganz präzise ist die Bezeichnung gemäß ETRTO (European Tyre and Rim Technical Organisation). Sie besteht aus zwei Teilen:
Die Bezeichnung 40-622 steht also für einen Gravel-Reifen mit 40 Millimetern Breite und 622 Millimeter Innendurchmesser. Übrigens: Der Innendurchmesser des Reifens ist identisch mit dem Reifensitz der Felge (Bead Seat Diameter – BSD).
Wenn Du Dein Gravelbike auch für gelegentliche Cyclocross-Rennen verwenden willst, solltest Du das UCI-Limit von 33 Millimetern Breite beachten.
Neben den Angaben in Zentimeter sind auch Angaben in Zoll und die sog. französischen Bezeichnungen weit verbreitet, letztere aber nur beim Durchmesser. Während Du als Mountainbiker:in gewohnt bist, in Zoll zu sprechen, kennen Roadies oft die französischen Begriffe. Zudem gehen die Außen- (AD) und Innendurchmesser (ID) von Reifen und der Reifensitz der Felge bei den Bezeichnungen durcheinander. Hier hilft Dir unsere Übersicht.
Reifendurchmesser | ETRTO-Bezeichnung | Französische Bezeichnung |
26" (≙ AD Reifen) | 559 (≙ BSD Felge) | - |
27,5" (≙ AD Reifen) | 584 (≙ BSD Felge) | 650b |
28/29" (≙ AD Reifen) | 622 (≙ BSD Felge) | 700c |
Das ist ganz einfach! Ein Zoll entspricht 25,4 Millimetern. Welchen Wert ein Hersteller angibt, ist Geschmackssache. Eine kleine Tendenz lässt sich aber oft ablesen. Je näher am Mountainbike-Reifen ein Gravel-Reifen ist, desto eher wird der Hersteller die Breite (auch) in Zoll angeben.
Tubeless heißt „ohne Schlauch“. Indem Du auf den Schlauch zwischen Gravel-Reifen und Felge verzichtest, kannst Du geringere Reifendrücke fahren. Davon profitieren Abrollverhalten und Grip gleichermaßen. Gleichzeitig gehören Pannen durch eingeklemmte Schläuche (Engl. „Snakebite“) der Vergangenheit an. Tubeless-Reifen werden mit einer sog. Dichtmilch gefahren, die nicht nur die Lufthaltigkeit zwischen Felge und Reifen garantiert, sondern kleine Löcher und Schnitte selbsttätig verschließt. Tubeless-Gravel-Reifen (und -Felgen) findest Du in unserem Filter als „Tubeless Ready“.
Die Karkasse ist das Grundgerüst jedes Reifens und besteht aus verschiedenen Gewebelagen. Die Feinheit des Gewebes wird in TPI (Engl. „threads per inch“) angegeben. Je höher diese Zahl, desto feinmaschiger die Grundkonstruktion des Reifens. Dichte Gewebe wirken sich tendenziell positiv auf Durchschlagschutz, Durchstichwiderstand, Schnittfestigkeit und Rollwiderstand des Reifens aus. Letzteres, indem sich der Reifen an den Untergrund anschmiegt. Man spricht auch von „Souplesse“.
Neben der Karkasse haben die Reifenhersteller aber auch andere Möglichkeiten die genannten Eigenschaften zu verbessern, zum Beispiel mit einer Pannenschutzeinlage zwischen Karkasse und Lauffläche oder Seitenwand, bzw. auf der Seitenwand. Schwalbe nennt seine Technologie SnakeSkin, Specialized GridRace, bei Continental heißt es ProTection – unterschiedliche Umsetzungen, gleiches Ziel! Achte für Details auf unsere umfassenden Produktbeschreibungen.
Es gibt Gravel-Reifen als Falt- und Drahtreifen. Der Unterschied liegt im Wulstkern, der Reifen und Felge verbindet, nicht in der Karkasse. Drahtreifen sind einfach zu montieren und für die Verwendung mit Schlauch optimiert. In modernen Performance-Bikes kommen inzwischen fast ausschließlich Faltreifen zum Einsatz, die sind leichter – und meistens Tubeless-Ready.
Das optisch vielleicht auffälligste Merkmal eines Gravel-Reifens ist das Profil. Seine Gestaltung wirkt sich direkt auf die Laufeigenschaften des Reifens aus. Offene Profile bieten gute Selbstreinigung, geschlossene Blöcke optimieren tendenziell die Rolleigenschaften. Höhere Profilblöcke verzahnen sich besser mit losem Untergrund, markante Schulterstollen erhöhen ebendort den Grip in Kurven, während flachere Profile und angeschrägte Profilblöcke leichter rollen. Jeder Hersteller findet hier seine eigene „Quadratur des Kreises“.
Mindestens genauso wichtig wie das Profil ist die Gummimischung (engl. „Compound“). Hierbei geht es um das Gummi von Lauffläche und Profil. Zum Einsatz kommen unterschiedliche Härtegrade, gemessen in Shore-Durometer (a). Je niedriger die Zahl, desto weicher der Gummi. Manche Hersteller, etwa WTB, nutzen für ausgewählte Reifenmodelle verschieden harte Mischungen, etwa weichere Gummis (z. B. 42a) an den Schulterstollen und härtere (z. B. 60a) auf der Lauffläche. Vittoria mischt seinen Compounds Graphene bei. Die Härte der Gummimischung hat, neben anderen Faktoren, auch Einfluss auf die Wintertauglichkeit Deines Gravel-Reifens.
Ansonsten lässt sich die Frage pauschal nicht beantworten. Je schmaler der Reifen und je mehr Du auf der Straße unterwegs bist, desto höheren Druck wirst Du fahren. Breite Tubeless-Gravel-Reifen vertragen geringere Drücke. Häufige Ausflüge ins Gelände machen sie sogar notwendig.